Expert*innen Interviews

Bindungsorientierte Paartherapie

Wie arbeitest du zum Thema Bindung in der Paartherapie?

In der emotionsfokussierten Paartherapie oder Paartherapie arbeite ich mit dem Paar daran, die Beziehung zu einem sicheren Ort zu machen, an dem sich beide Partner gut aufgehoben fühlen. Dafür identifizieren wir zunächst das negative oder unangenehme Verhaltensmuster, das sich in Bezug auf verschiedene Themen oft wiederholt und der sicheren Bindung entgegenwirkt. Wir verdeutlichen, welche Position jede/r Partner*in darin hat und welche verletzlichen Emotionen, Gefühle und Bedürfnisse darunter liegen. Im Folgenden verändern wir die Verhaltensmuster, sodass das Paar neue und korrigierende Erfahrungen machen kann. Die tiefen und verletzlichen Emotionen und Gefühle werden dem/der Partner*in direkt gezeigt, was Mut erfordert, aber eine neue, tiefere Begegnung ermöglicht und die Bindung nährt. Sollte es in der Vergangenheit starke Bindungsverletzungen gegeben haben, so werden auch diese aufgearbeitet und geheilt.

Woran kannst du erkennen, ob ein Paar eine sichere Bindung lebt?

Eine sichere Bindung ist daran erkennbar, dass beide Partner*innen es schaffen, sich aneinander zu wenden, wenn sie etwas bedrückt und der jeweils andere Part empathisch darauf reagiert. Sie zeigen einander ihr Innerstes, insbesondere ihre verletzlichen Anteile (z. B. Ängste, Unsicherheiten) und reagieren zugewandt darauf. Das Paar begegnet sich mit Mitgefühl und Verständnis. Jede*r fühlt sich gesehen und verstanden. Aufkommende unangenehme Gefühle und Emotionen werden miteinander reguliert.

Was war deine größte Erkenntnis in der Weiterbildung zur bindungsorientierten Paarberaterin?

Die größte Erkenntnis war für mich, dass Menschen auch als Erwachsene voneinander abhängig bleiben wie ein kleines Kind von seiner Mutter und dass das in Ordnung ist. Wenn Schwierigkeiten oder unangenehme Gefühle auftauchen, versuchen viele Menschen, diese zu unterdrücken, zu kompensieren oder schnelle Lösungen zu finden. Dabei geht es oft im ersten Moment darum, aufrichtig da zu sein für den geliebten Menschen, Interesse zu zeigen, die erlebten Gefühle ernst zu nehmen. In unserer Gesellschaft wird es nicht selten als Schwäche gedeutet, sich mit den eigenen Verletzlichkeiten an jemanden zu wenden, dabei fühlt es sich letztlich gut und sicher an, damit nicht alleine zu bleiben, sondern Unterstützung und Fürsorge zu erfahren.